Was wollen Bewerber wirklich? Dieser Frage gehen viele Studien nach. Abgefragt werden allerdings immer die gleichen Standards. Gemeinsam mit Tim Verhoeven, Blogger und ausgewiesener HR-Experte, hat softgarden das Thema neu aufgerollt und Talente zu Aspekten befragt, die bislang nicht statistisch erfasst wurden. Heraus kamen spannende Einblicke in die Bedeutung der Qualitätsstandards im Recruiting.
Bewerber wollen transparente Prozesse
Um das Fazit der der Auswertung einmal direkt vorwegzunehmen: Bewerber legen einen hohen Wert auf Transparenz, wenn im Recruiting eignungsdiagnostische Mittel zum Einsatz kommen. Sie wollen nicht nur wissen, was genau gemessen wird, sondern auch, ob das Gemessene fundiert ausgewertet wird.
Dazu nachgefragt haben HR-Blogger und Leiter des Recruitings bei der internationalen Unternehmensberatung BearingPoint, Tim Verhoeven, und softgarden bei insgesamt 1.081 Kandidaten.
Eignungsdiagnostik: Was wird gemessen?
Die wesentlichen Erkenntnisse der Umfrage im Schnelldurchlauf:
- Mehr als drei Viertel der Kandidaten (78 Prozent) ist es sehr wichtig oder wichtig zu wissen, welche Skills in eignungsdiagnostischen Verfahren unter die Lupe genommen werden.
- Besonders großen Wert darauf legen besser gebildete Bewerber mit akademischem Hintergrund und hier insbesondere noch einmal die weiblichen Befragten.
- Knapp 60 Prozent der Befragten ist es überdies wichtig, dass die Testverfahren auf wissenschaftlich validierten Grundlagen basieren.
- Auch hier sind Unterschiede im Bildungsniveau der Bewerber festzustellen. Kandidaten mit einem abgeschlossenen Studium, Abitur oder einer abgeschlossenen Ausbildung haben ein ausgeprägteres Interesse an den zugrundeliegenden Qualitätsstandards als Talente mit mittlerer Reife.
Transparente Qualitätsstandards in der Personalberatung
Tim Verhoeven und softgarden wollten außerdem wissen: Machen Bewerber eigentlich einen Unterschied, ob ein eignungsdiagnostisches Verfahren von einem Arbeitgeber oder einer Personalberatung eingesetzt wird? Auch hier gab es spannende Einsichten. Mit einer 88-prozentigen Zustimmungsquote sagte die überwältigende Mehrheit der Befragten: Ja, uns ist es ‚eher wichtig‘ oder ‚sehr wichtig‘, dass Personalberater bei der Auswahl von Talenten qualitative Mindeststandards einhalten.
„Das ist ein sehr deutliches Signal“, betont Tim Verhoeven in einem Beitrag seines Blogs ‚Noch ein Personalmarketing Blog‘. „Jedoch sollte in diesem Kontext auch klar sein, dass es bisher noch keine Mindeststandards bei Personalberatern gibt.“ Hier besteht also ganz klar Handlungsbedarf.
Bildungsgrad bestimmt Bewerberansprüche
Auch bei dieser Frage ist festzustellen, dass der Wunsch nach standardisierten Verfahren unter Akademikern mit einer über 90 prozentigen Zustimmung höher ausgeprägt ist als bei Kandidaten, die über die mittlere Reife verfügen. Auch wer sich häufiger bewirbt, hat ein höheres Interesse an einer qualitativ hochwertigen Eignungsdiagnostik.
Verhoeven schließt daraus: „Wer Akademiker sucht und dazu auch noch mit Zielgruppen zu tun hat, die häufiger in Bewerbungsprozessen stecken, dann sollte man sich über Mindeststandards seiner Personalberater dringend Gedanken machen. Zu guter Letzt wissen wir, dass die Wahl des Personalberaters auch immer auf die eigene Arbeitgebermarke zurückfällt.“
Wie können Qualitätsstandards im Recruiting transparent vermittelt werden?
Die Frage, die sich willkürlich stelle: Wie können Kandidaten mit einem Blick erkennen, ob die geforderten Qualitätsstandards eingehalten werden? HR-Experte Verhoeven kennt die Antwort: Helfen könnte ein Qualitätszertifikat für Mindeststandards im Recruiting. Ähnlich eines TÜV-Siegels, bei dem „eine neutrale Instanz Personalberater nach transparenten Kriterien zertifiziert“. Drei Viertel der Befragten fanden diese Idee jedenfalls gut oder sehr gut.
Fassen wir also nochmal zusammen: Egal ob Unternehmen eignungsdiagnostische Verfahren in ihrem Recruiting einsetzen oder einen Personalberater dazu beauftragen – so oder so wirft mangelnde Transparenz ein schlechtes Licht auf den personalsuchenden Arbeitgeber.
Eine Zertifizierung mit einem Qualitätssiegel könnte helfen, bestehende Zweifel der Talente zu zerstreuen – mit einem positiven Nebeneffekt für die eigenen Arbeitgebermarke. Dank Zertifizierung könnten sich Bewerber darauf verlassen: Dieser Arbeitgeber nimmt zuverlässige Qualitätsstandards in seinem Recruiting-Prozess gewiss nicht auf die leichte Schulter. Der Employer Brand und auch der Candidate Experience schadet das garantiert nicht.
Mehr Studien und aktuelle Umfragen von softgarden gibt es hier: softgarden Studien
Interview: softgarden im Gespräch mit Tim Verhoeven
softgarden: Du hast im Rahmen einer Kooperation über 1.000 Bewerber befragt, die sich mit softgarden beworben haben. Das Thema Eignungsdiagnostik und Mindeststandards bei Personalberatern die Ergebnisse hast du uns bereits auf deinem „Noch ein Personalmarketing“-Blog vorgestellt. Du hast dir die Antworten der Bewerber sehr genau angesehen. Welches Ergebnis hat dich überrascht und warum?
Tim: Besonders überrascht hat es mich, dass der Wunsch von Bewerbern in Summe sehr klar war, dass es im Recruiting mehr Mindeststandards braucht. Als Recruiter betrachtet man die Qualitätsdiskussion häufig sehr auf sich selbst bezogen und vergisst, dass auch Bewerber das Recht und das Bedürfnis haben, mit bestmöglichen Methoden sowie Prozessen ausgewählt zu werden. Es kann also zukünftig ein positiver Differenziator sein, wenn man als Unternehmen oder Dienstleister seine Methoden und Prozesse zertifiziert.
softgarden: Auch bei den vierteljährlichen softgarden Studien, stellen wir immer wieder fest:
Kandidaten erwarten mehr als nur gute Standards und sind bei der Auswahl von Job und künftigem Arbeitgeber zunehmend selektiver. Ganz im Sinne der low hanging fruits: Was ist dein Nummer 1 Tipp für Rekrutierende um Kandidaten zu sofort ein überzeugendes Argument mehr zu liefern?
Tim: Ich stimme dir komplett zu. Mindeststandards sind ein wichtiger Bestandteil – aber natürlich nicht alles. Bei meinem Arbeitgeber messen wir sehr genau und detailliert, was die wichtigsten Zufriedenheitsfaktoren im Bewerbungsprozess sind. Da ist der klare Sieger: Geschwindigkeit. Wer zu langsam ist, wirkt nicht wertschätzend und verbaut sich von Anfang an sehr viel. Oder um mit einem Vergleich zu arbeiten: Wer beim ersten Date direkt eine Stunde zu spät kommt, ohne Bescheid zu geben, der wird wahrscheinlich kein zweites Date erleben.
softgarden: Du selbst hast ein Buch über Candidate Experience geschrieben. An welcher Stelle hakt es häufig im Bewerbungsprozess und welche großen Trends siehst du schon jetzt für Unternehmen, um künftig qualifizierte Mitarbeiter für sich zu gewinnen?
Tim: Der wichtigstes Punkt: Man muss sich von dem Gedanken lösen, dass man als Arbeitgeber am längeren Hebel sitzt, aber akzeptieren, dass ein Bewerbungsprozess beidseitig existiert. Wir als Arbeitgeber müssen genau so um die Gunst von Kandidaten werben, wie andersherum.
softgarden: Vielen Dank für deine Insights, Tim!