Unter „Matching“ wird allgemein der Abgleich von Arbeitgeberanforderungen mit Bewerberkompetenzen verstanden, der immer häufiger automatisiert abläuft. Algorithmen sind heute in der Lage, anhand von vorprogrammierten Auswahlregeln und statistischen Auswertungen die für ein Unternehmen passenden Kandidaten zu identifizieren. Aber sind Roboter die besseren Recruiter? Macht es Sinn, den Personalauswahlprozess elektronisch auszusteuern?
Matching ist innerhalb kurzer Zeit zu einem sehr relevanten Thema im Human-Resources-Bereich geworden. Zwei aktuelle Entwicklungen unterstützen diesen Aufstieg maßgeblich:
- Es wird immer schwieriger, passende Talente zu finden und für das eigene Unternehmen zu gewinnen.
- Die technologische Entwicklung schreitet extrem schnell voran, sodass ein von Algorithmen gesteuerter (Vor-)Auswahlprozess heute bereits komplett umsetzbar ist.
Bedarf und Verfügbarkeit treffen demnach hier in einer Weise aufeinander, die schon fast magisch ist: Alle wollen intelligente, einfach einzusetzende Matching-Technologien. Und endlich stehen zahllose Matching-Technologien zur Verfügung:
- Online-Auswahltests (z. B. psychologische Fragebögen)
- Self-Assessment-Applikationen (z. B. Berufsorientierungsspiele)
- CV-Crawler (die z. B. in öffentlich verfügbaren Profilen nach geeigneten Kandidaten suchen)
- Prescreening-Technologien (die aus eingegangenen Bewerbungen die passenden auswählen)
Matching-Technologien werden immer öfter im Bewerberauswahlprozess eingesetzt.
Die komplette Bewerberauswahl kann durch Roboter ausgeführt werden: Intelligente Algorithmen analysieren Lebensläufe und Ergebnisse psychologischer Tests, erstellen auf Basis der Bewerberdaten Profile und geben Empfehlungen und Vorhersagen ab. Zum Beispiel darüber, wie lange ein Kandidat durchschnittlich in einem Unternehmen verbleibt, mit welcher statistischen Wahrscheinlichkeit eine neu eingestellte Mitarbeiterin innerhalb der nächsten zwei Jahre wegen Mutterschaft ausfällt, wie viel intrinsische Motivation ein Mitarbeiter besitzt usw. Im Recruiting eingesetzt, können diese Algorithmen aus tausenden Bewerbungen die wenigen wirklich passenden auswählen und Empfehlungen geben, welche Kandidaten eingestellt werden sollen.
Das klingt wie Zukunftsmusik, ist aber mit der heutigen Technologie bereits möglich (wenn auch nicht alle dieser Beispiele ohne weiteres mit dem deutschen Datenschutzgesetz vereinbar sind). Es ist grundsätzlich möglich, den größten Teil der Bewerberauswahl zu automatisieren. Aber ist das auch wünschenswert?
Vorteile des Einsatzes von Matching-Technologien
Einige Vorteile hat die Automatisierung des Screening-Prozesses: Roboter diskriminieren nicht und sind nicht anfällig für Vorurteile. Sie reagieren nur auf die einprogrammierten Parameter und bieten Bewerbern somit eine Chancengleichheit, die menschliche Recruiter trotz bester Intentionen nicht immer gewährleisten können. Auch ist die Zeitersparnis für Recruiter enorm, schließlich müssen nun keine Bewerbungen mehr händisch verglichen werden.
Wie sehr man beim Matching in die Tiefe geht, liegt maßgeblich am Unternehmen. Erhält ein Unternehmen sehr viele Bewerbungen, kann ein ausgeweiteter Matching-Prozess mit umfangreichen Online-Assessments durchaus sinnvoll sein, um die Anzahl der zu bearbeitenden Bewerbungen zu reduzieren. Für die Nutzung intelligenter Algorithmen ist es sogar Voraussetzung, dass eine kritische Masse an Bewerbungen erreicht wird. Denn intelligente Algorithmen lernen nur, wenn sie die Möglichkeit dazu erhalten und stetig evaluieren können, welche Faktoren sich in welcher Form auswirken.
Recruiting ist keine Einbahnstraße: Auch Bewerber nutzen Matching-Technologien.
Nicht nur Unternehmen versuchen, die zu Ihnen passenden Bewerber zu identifizieren, auch Kandidaten bemühen sich, die zu Ihnen passenden Unternehmen zu finden. Matching ist somit auch ein für viele Kandidaten interessantes Thema.
Viele der neuen, auf Bewerber abzielenden, Matching-Applikationen agieren daher nach dem Prinzip „Candidate first!“ Ein gutes Beispiel für ein solches Tool ist die Smartphone-App truffls, die mit Ihrem „Tinder für Jobs“-Prinzip bereits einige Aufmerksamkeit erhalten hat. Kandidaten erhalten zu ihrem Profil passende Jobvorschläge, die sie entweder positiv oder negativ bewerten können. Basierend darauf, welche Jobs von Kandidaten als interessant markiert werden, lernt der truffls-Algorithmus, welche Job-Empfehlungen zukünftig ausgespielt werden sollen und verbessert so das Matching zwischen Kandidat und ausgeschriebener Stelle.
Obwohl es sich dabei um Bewerber-Applikationen handelt, profitieren Arbeitgeber direkt von der vermehrten Nutzung durch Jobsuchende: sie erhalten qualifiziertere Bewerbungen von Kandidaten, die sich mit der Unternehmenskultur und dem Cultural Fit bereits auseinandergesetzt haben.
Matching-Technologien nicht zulasten der Candidate Experience einsetzen
Unabhängig von der wachsenden Verfügbarkeit an technisch ausgereiften Matching-Lösungen sollte das Prinzip der Candidate Experience nie aus den Augen verloren werden. Auch wenn der Prozess für den Recruiter angenehmer wird, wenn Kandidaten online umfangreiche Selbsttests, psychologische Assessment Center und ähnliches durchlaufen – für den Kandidaten kann nicht das Gleiche behauptet werden.
Für 50% aller in einer softgarden-Studie befragten Bewerber sollte die Eingabe der persönlichen Daten in ein Bewerbermanagementsystem nicht länger als 20 Minuten dauern.
Die Forderung von Unternehmen, Fragebögen, Formulare und ähnliches auszufüllen, erscheint also einseitig und zahlt nicht auf die Arbeitgebermarke ein. Unternehmen, die neue Mitarbeiter mithilfe von Matching-Programmen auswählen, gelten zudem als unpersönlich und uninteressiert.
Arbeitgeber müssen stets beachten, dass es nicht nur darum geht, Bewerber auszusieben, sondern auch, sie anzuziehen und für sich zu gewinnen. Jede Nutzung von Matching-Technologie auf Unternehmensseite sollte daher genau evaluiert und ihr Einfluss auf Candidate Experience (und damit das Employer Branding) beachtet werden. Matching ist ein spannendes Einsatzgebiet neuer Technologien und wird zweifelsfrei weiter an Relevanz gewinnen – die Akzeptanz und Aufgeschlossenheit der Bewerber vorausgesetzt.