Jede Bewerbungsabsage bringt ein Unternehmen in eine prekäre Situation: Einerseits möchte man dem Bewerber höflich und freundlich verdeutlichen, dass und warum er/sie für die ausgeschriebene Position nicht in Betracht gezogen wird, andererseits den Bewerber aber nicht als potenziellen Kunden verlieren oder gar noch zum Negativ-Multiplikator machen.
Immer wieder hört man von abgelehnten Bewerbern, die auf Basis der Absagegründe Klagen anstrengen, bestärkt durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Natürlich handelt es sich dabei nicht um den Regelfall, sondern um Ausnahmen – dennoch ist die berechtigte Angst vor den Konsequenzen ehrlichen Feedbacks Grund genug für viele Recruiter, ihre Absageschreiben so allgemein und ungenau wie möglich zu halten. Dies manifestiert sich in knappen Formulierungen nach Schema F, die wenig mehr als die pure Information, dass die Bewerbung abgelehnt wurde, enthalten.
Das AGG verunsichert auch Unternehmen, die nicht diskriminieren
Dass Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) dient dazu, Diskriminierungen am Arbeitsplatz zu verhindern und strafbar zu machen. Dies umfasst Benachteiligungen aufgrund von Rasse, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung oder sexueller Identität. Gehen wir einmal davon aus, dass die Mehrheit der Unternehmen AGG-konform rekrutiert – dennoch stellen unpräzise Formulierungen in Bewerbungsabsagen ein Risiko dar und können vor Gericht zur Zahlung von Entschädigungen führen. Um dies zu verhindern, greifen viele Recruiter bei der Formulierung von Bewerbungsabsagen auf unpersönliche und unkonkrete Formulierungen zurück. Dabei folgen sie zumeist diesem Grundgerüst:
- Dank für die Bewerbung bzw. das Interesse am Unternehmen ausdrücken
- Absage formulieren (zumeist mit Verweis auf Anzahl der Bewerber oder auf andere Bewerber mit Qualifikationen, die besser auf das gesuchte Profil passen)
- Gute Wünsche für die berufliche Zukunft des Bewerbers
Bewerbungsabsagen wirken sich auf Employer Brand aus
Neben eventuellen Klagen auf Basis des AGG existiert noch eine zweite, ungleich wahrscheinlichere, Gefahr: Bewerber, die im Recruiting-Prozess negative Erfahrungen machen, berichten darüber bei Freunden und Bekannten.
Daraus ergibt sich für Unternehmen ein Dilemma: AGG-konforme Absagen sind rechtlich unbedenklich, enthalten aber in 90 % der Fälle keine für den abgelehnten Bewerber relevanten Informationen. Wird allerdings kein ehrliches und kritisches Feedback gegeben, so leidet eventuell das Employer Branding des Arbeitgebers, denn Kandidaten bewerten unpersönliche Absagen sehr negativ.
AGG oder Employer Brand, das ist hier die Frage. Aber muss das so sein?
Bewerbungsabsagen vermitteln wenig Wertschätzung
Dass Bewerber aus unpersönlichem und generischem Feedback keinen Nutzen für zukünftige Bewerbungen ziehen, ist verständlich. Auch spricht aus einem unpersönlichen Absageschreiben wenig Wertschätzung, selbst wenn dies vom Recruiter keinesfalls so vorgesehen ist.
Bewerber investieren viel Zeit, manchmal mehrere Stunden, in die Formulierung ihrer Bewerbungsunterlagen. Diese Mühe mit einer simplen und förmlichen Bewerbungsabsage zu quittieren, stößt abgelehnten Bewerbern negativ auf. Dabei ist das Ziel ja gerade, einen positiven Eindruck zu hinterlassen – die meisten Absageschreiben unterstützen nicht gerade beim Erreichen dieses Ziels. Hier die schlimmsten Beispiele für verfehlte Formulierungen in Bewerbungsabsagen.
Die 5 größten Fehler bei der Bewerbungsabsage
1) „Bitte betrachten Sie diese Entscheidung nicht als Wertung Ihrer fachlichen Qualifikation.“
Die fachliche Qualifikation ist das einzige absolut unverfängliche Kriterium bei der Personalauswahl. Darum sollte der Bewerber sogar ganz unbedingt die Entscheidung so verstehen, dass seine fachliche Qualifikation für die Position nicht passend war. Dieser Satz, auch wenn er dazu gedacht ist, die Aussage abzumildern, kann für Unternehmen ernste Konsequenzen haben – denn jetzt erst stellt sich der Bewerber die Frage: „Woran lag es denn dann? Mein Geschlecht? Meine Haarfarbe? Meine zwei schulpflichtigen Kinder?“
2) „Wir senden Ihnen Ihre Bewerbungsunterlagen zu unserer Entlastung zurück.“
Immerhin noch besser als vom Bewerber einen frankierten Rückumschlag anzufordern oder, tatsächlich passiert, die Bewerbungsmappe unangekündigt als unfrankiertes Einschreiben zurückzusenden. Dennoch: Bitte argumentieren Sie nicht mit Ihrer Entlastung, wenn Sie die Bewerbungsunterlagen zurücksenden – dafür hat der Bewerber in diesem Moment kein Verständnis.
3) „Wir werden Ihre Bewerbungsunterlagen nach Ablauf der gesetzlichen Frist der Vernichtung zuführen.“
Braucht man eigentlich nicht zu erklären, oder? Natürlich müssen die Bewerberdaten vernichtet/gelöscht werden, aber diese Information ist 1. für den Bewerber nicht relevant und 2. so martialisch formuliert, dass die eigentlich rücksichtsvoll gemeinte Nachricht komplett überlagert wird.
4) „Wir waren von Ihrer Qualifikation sehr beeindruckt. Leider konnten wir Sie nicht weiter berücksichtigen.“
Wer von den Qualifikationen des Bewerbers so beeindruckt ist, lädt diesen auch zum Bewerbungsgespräch ein, falls nicht triftige Gründe dagegensprechen. Verzichten Sie in Ihren Bewerbungsabsagen lieber auf so mehrdeutige Signale, dies führt in aller Regel nicht dazu, dass Bewerber die Absage als angenehmer empfinden.
5) Gar nicht oder zu langsam melden
Ja, Recruiting-Prozesse dauern manchmal länger als geplant und es ist nicht so einfach, jedem Bewerber zeitnah Feedback zur Bewerbung zu senden. Allerdings wird mit jeder Woche, die Bewerber warten müssen oder hingehalten werden, der negative Eindruck stärker. Daher sollten Personalverantwortliche stets danach streben, schnelles und konkretes Feedback zu geben.
Die richtige Bewerbungsabsage macht Kandidaten zu Fans
Und wie macht man es besser? Zunächst mal formulieren Sie die Bewerbungsabsage individuell und mit dem Ziel, dass der Bewerber daraus einen Mehrwert ziehen kann. Keine Angst davor, abgelehnte Kandidaten zu verprellen! Absagen sind erstmal immer unschön, daran ändert eine vorsichtige und übermäßig freundliche Formulierung auch nichts. Außerdem erhalten Sie Extrapunkte, wenn Sie die folgenden Vorschläge umsetzen:
Persönlichen Ansprechpartner stellen: Das gilt eigentlich für den gesamten Bewerbungsprozess, d. h. schon für die Stellenausschreibung und die Eingangsbestätigung. Allerspätestens bei der Bewerbungsabsage macht der persönliche Kontakt einen riesigen Unterschied in der Wahrnehmung – wer möchte schon vom Roboter die Mitteilung erhalten, dass man leider nicht im Bewerbungsprozess weiterkommt?
Ehrliches (und kritisches) Feedback anbieten: Unternehmen, die diesen Extraschritt gehen, stärken besonders ihre Employer Brand. Das Angebot, im Telefonat ein detaillierteres Feedback zu geben, kommt bei abgelehnten Bewerbern sehr gut an, ist jedoch mit hohem Zusatzaufwand verbunden, gerade, wenn ein Unternehmen viele Bewerbungen erhält.
Um dies leisten zu können, sollten die Bewerbungsverwaltung zentralisiert und zu jedem Bewerber im Vorfeld ein Feedback mit den konkreten Absagegründen vermerkt werden. Die Bewerbungsabsage muss die Kontaktdaten des zuständigen HR-Mitarbeiters enthalten, diese Ansprechperson wiederum sollte unbedingt im AGG geschult sein, um als Diskriminierung auslegbare Aussagen zu vermeiden.
Kontakt halten: Hat der Bewerber grundsätzlich überzeugt, aber es hat nicht ganz für die weitere Berücksichtigung gereicht, so teilen Sie dies mit. Bitten Sie darum, die Bewerbungsunterlagen aufheben und im Falle einer passenden Vakanz erneut in Kontakt treten zu dürfen (das kommt besser an, als um erneutes Einsenden der Unterlagen zu bitten). Wenn Sie die technischen Voraussetzungen dazu geschaffen haben, nehmen Sie den Kandidaten in Ihren Talent Pool auf und informieren Sie regelmäßig über passende offene Stellen.
Standard-Formulierungen bieten für Bewerber zwar keinen Mehrwert, sind aber aktuell für Unternehmen der einzig rechtssichere Weg, Bewerbungsabsagen zu verfassen. Von wortreichen Nachrichten, die einzig dem guten Gewissen des Recruiters dienen, ist abzuraten. Um mit Bewerbungsabsagen die Employer Brand des Arbeitgebers nicht zu schädigen, bietet es sich daher an, am Telefon persönliches Feedback zu geben und Bewerbern ehrlich mitzuteilen, woran es gehapert hat. So nehmen alle aus der Bewerbungsabsage etwas Positives mit: der Bewerber erhält die Chance, sich zu verbessern, das Unternehmen bleibt für seinen wertschätzenden Umgang in Erinnerung.