„Er war stets bemüht“. Schon aus der Grundschule wissen wir: Wenn dieser Satz im Zeugnis auftauchte, war das kein Grund zur Freude. Wollte der Lehrer doch eigentlich sagen: „Bei seinen Bemühungen ist es dann auch geblieben“. Auch beim Arbeitszeugnis hat sich ein regelrechter sprachlicher Geheimcode der Personaler entwickelt, um negative Beurteilungen von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in schöner Verpackung zum Ausdruck zu bringen. Wir helfen beim entschlüsseln, verstehen und anwenden.
Die sogenannten Wohlwollens- und Wahrheitspflichten bei der Ausstellung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses bringen Arbeitgeber in eine missliche Lage. Einerseits soll das Zeugnis faktenbasiert und wahrhaftig sein, andererseits aber nicht bewusst negative Formulierungen enthalten und so das berufliche Weiterkommen der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters behindern. Damit verbietet sich quasi jede Note, die schlechter als 3 ist. Wie aber beurteilt man Angestellte, mit deren Leistungen man nicht unbedingt so zufrieden war? Deren persönliches Verhalten vielleicht zu Problemen, gar zur Kündigung geführt hat?
Floskel-Wörterbuch der Personaler
Hier kommen die unter Bewerberinnen und Bewerbern gemeinhin als „Geheimsprache der Personaler“ bekannten (und teils gefürchteten) sprachlichen Codizes ins Spiel. Über die Jahre haben sich bestimmte, zunächst positiv klingende, Formulierungen etabliert, mit denen sich Kritik an Leistungen oder Verhalten ausdrücken lassen. So können kleine Wörtchen wie ein „stets“ oder „vollsten“ darüber entscheiden, ob der Arbeitgeber tatsächlich sehr zufrieden oder nur durchschnittlich zufrieden war mit der Leistung seines Angestellten.
Arbeitszeugnis-Analyse von A wie Arbeitsverhalten …
Für die verschiedenen Aspekte der Arbeitstätigkeit gibt es unterschiedliche Phrasen, mit denen sich entweder Lob oder Kritik ausdrücken lassen. Dieser Phrasen sind auf einer Skala einzuordnen, die dem Notensystem der Schule gleicht. Eine der gängigsten Formulierungen ist die zur Arbeits- und Leistungsbereitschaft der Angestellten.
Note 1: Er/Sie zeigte stets/immer/jederzeit ein sehr hohes Maß an Eigeninitiative und Leistungsbereitschaft.
Note 2: Er/Sie zeigte stets ein hohes Maß an Leistungsbereitschaft.
Note 3: Er/Sie zeigte Einsatzbereitschaft.
Note 4: Er/Sie zeigte auch Einsatzbereitschaft.
Note 5 bis 6: Satz ist nicht vorhanden.
Achten Sie auf die kleinen Wörtchen, deren Vorhandensein oder Aussparung einen bedeutenden Unterschied machen!
… bis Z wie Zufriedenheit
Neben dem Arbeitsverhalten spielt auch die Beurteilung des sozialen Verhaltens, etwa gegenüber Kollegen und Vorgesetzten eine wichtige Rolle. Hier reichen die Bewertungsklauseln etwa von „stets vorbildlich“ über „einwandfrei“ bis zu dem mangelhaften „in der Regel nicht zu beanstanden“.
Weitere gängige Bestandteile des Arbeitszeugnisses sind etwa die Beurteilung der Arbeitsweise, der Arbeitsleistungen, des Fachwissens und der allgemeinen Zufriedenheit. Letztgenannte beginnt meist mit der geläufigen Formulierung „Die ihm/ihr aufgetragenen Tätigkeiten erledigte er/sie…“ und endet entsprechend dem Zufriedenheitsgrad mit:
Note 1: „… stets zu unserer vollsten/höchsten Zufriedenheit“.
Note 2: „… stets zur vollen Zufriedenheit“.
Note 3: „… stets zur Zufriedenheit“.
Note 4: „… zur Zufriedenheit“.
Note 5 bis 6: „stets bemüht zur Zufriedenheit“/ „im Großen und Ganzen zur Zufriedenheit“ /… .
Im Allgemeinen gilt: Je mehr Superlativ, je mehr Worte – umso mehr Lob können Sie in den Formulierungen verpacken. Fällt die Beschreibung kurz und nüchterner aus, so lässt sich zwischen den Zeilen eine eher durchschnittliche Bewertung herauslesen. Wenn Sie eigentlich erforderliche Beurteilungen sogar ganz weglassen, dürfte das für künftige Arbeitgeber ein ganz deutliches Warnsignal sein.
Lassen Sie etwa die Aufgabenbeschreibung oder die obligatorischen „guten Wünsche für die Zukunft“ als Schlussformel weg, so lassen Sie durchblicken, dass die Leistungen der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters nicht der Rede wert waren bzw. dass Sie über ihr/sein Ausscheiden nicht all zu traurig sind.
Individuell den richtigen Ton treffen
Sie merken schon: Beim Verfassen von Arbeitszeugnissen haben Sie als Personaler eine besondere Verantwortung in der Kenntnis und dem Umgang mit Formulierungen. Noch so gute Bewerbungen können bei künftigen Arbeitgebern direkt im Papierkorb landen, wenn sich das Arbeitszeugnis schlecht liest – sei es beabsichtigt, oder unbeabsichtigt.
Und noch eins: Natürlich ist die „Geheimsprache“ der Personaler schon längst nicht mehr so geheim, wie viele annehmen. Wenn Arbeitnehmer mit Formulierungen in ihren Arbeitszeugnissen nicht zufrieden sind oder sich dadurch benachteiligt sehen, müssen sie das nicht zwangsläufig hinnehmen, sondern können Sie um Nachbesserung bitten – zur Not vor einem Arbeitsgericht. Bei der Gestaltung von Arbeitszeugnissen ist also Sorgfalt gefragt. Wenn Sie sich nicht sicher sind, die richtigen Formulierungen gewählt oder alle wichtigen Punkte erwähnt zu haben, sollten Sie einen Kollegen aus der Rechtsabteilung oder externe Beratungen zu Rate ziehen – so sind Sie auf jeden Fall auf der sicheren Seite.