Absageschreiben sind ein notwendiger Bestandteil für die Personalarbeit jedes rekrutierenden Unternehmens. Logisch: Wenn nur ein Bewerber den Job bekommen kann, endet die Mehrzahl der Bewerbungen in Absagen und damit in Absageschreiben – kein freudiger Anlass, weder für Personaler noch für die abgelehnten Kandidaten. Eine aktuelle Umfrage von softgarden und dem Personalmagazin zeigt jedoch: die Ansprüche von Bewerbern und Personalern an Ansageschreiben unterscheiden sich auf geradezu kritische Art und Weise. Kein Wunder, dass kaum eine Absage positiv aufgenommen wird.
Wir beleuchten die wichtigsten Umfrageergebnisse:
- Welche Erwartungen haben Bewerber an Absageschreiben und werden diese von Unternehmen erfüllt?
- Was macht für Personaler gute Absageschreiben aus und gibt es Überschneidungen zwischen Bewerber- und Personalsicht?
Absageschreiben als Touchpoint der Candidate Journey
Zunächst bildet jede Absage, ob in schriftlicher oder persönlicher Kommunikation übermittelt, einen Touchpoint mit dem Kandidaten, wenn auch in vielen Fällen den letzten. Somit ist die Absage Teil der „Candidate Journey“ und sollte von Unternehmen ebenso stark beachtet werden wie die vorigen Bewerberkontakte. Die Art und Weise, in der das negative Feedback überbracht wird, ist für Arbeitgeber- und Unternehmensruf relevant: sie prägt nachhaltig den Eindruck des Bewerbers vom Unternehmen. Aus der Studie „Bewerbungsverfahren und Markenwahrnehmung“, die softgarden 2015 mit der Unternehmensberatung ESCH.The Brand Consults durchgeführt hat, ist bekannt, dass 91% der Bewerber im Familien und Freundeskreis über ihre Erlebnisse in Bewerbungsverfahren sprechen. Kandidaten, die eine Absage erhalten, wirken als Multiplikatoren für die Qualitäten im Umgang eines Unternehmens mit seinen Bewerbern. Ziel sollte es also sein, durch die Absage keinen Schaden für das Unternehmen zu provozieren – eine Gefahr, die bei intensiv rekrutierenden Unternehmen regelmäßig auftritt.
Bei Absageschreiben gehen die Erwartungen auseinander
In der Umfrage unter mehr als 1.100 Bewerbern wird deutlich: Kandidatenanspruch und Wirklichkeit stimmen nicht überein.
Abb. 1: Wichtigkeit bestimmter Aspekte von Absageschreiben für Kandidaten
Die Top 3 bei den wichtigsten Aspekten für Absageschreiben bilden aus Kandidatensicht die „Angabe von nachvollziehbaren Gründen für die Absage“ (73% „sehr wichtig“), die „zeitnahe Antwort auf die Bewerbung“ (61%) und der „freundliche Tonfall“ (62%).
Abb. 2: Erfüllung der Kandidatenerwartungen in realen Absageschreiben
Nach der Realisierung dieser Forderung in tatsächlich erhaltenen Absageschreiben befragt, konnten jedoch nur 22 % der Umfrageteilnehmer eine Angabe von nachvollziehbaren Absagegründen verzeichnen. Nur jeder zweite erhielt eine zeitnahe Rückmeldung. Auf die Wünsche der Kandidaten in Bezug auf Absageschreiben einzugehen, fällt deutschen Personalabteilungen offenbar schwer. Woran liegt das?
Das AGG macht aus Absageschreiben wertlose Serienbriefe
Abgelehnte Kandidaten wünschen sich – nachvollziehbar – ein ehrliches und individuelles Feedback zu den Absagegründen. Das Ziel ist es schließlich, aus der „Niederlage“ zu lernen und letztlich einen Erfolg daraus zu ziehen. Solange Personaler sich jedoch weigern, in Absageschreiben mehr als unpersönliche Floskeln zu verwenden, kann dieser Anspruch nicht erfüllt werden.
Nach den Gründen für die unpersönliche Formulierung von Absageschreiben befragt, geben Personaler fast einhellig dieselbe Antwort: „Das AGG zwingt uns dazu, nichtssagende Floskeln zu verwenden.“ Einige Aussagen der befragten Personaler:
„Gründe im Absageschreiben wären mehr als sinnvoll und hilfreich für den Bewerber. Allerdings sind in dieser Hinsicht aufgrund des AGG die Schreiben absolut nichtssagend gehalten. Das Schutzziel des Gesetzes verkehrt sich so in das Gegenteil…“
„Als Unternehmen bewegen wir uns permanent im Spannungsfeld zwischen möglichst individueller Absage und gleichzeitigem Bieten einer Angriffsfläche für AGG-Klagen. Aus diesem Grund werden Absageschreiben unpersönlich geschrieben.“
Als Notlösung nutzen manche Personaler die Möglichkeit der telefonischen Rückmeldung – so bleibt man rechtlich auf der sicheren Seite und kann gleichzeitig besser auf die Kandidaten eingehen. Dass das in Unternehmen mit einem hohen Recruiting-Volumen nicht bei jedem Kandidaten geschehen kann, versteht sich von selbst.
Absageschreiben sind für Personaler lästig, für Bewerber emotional
Eines sollte stets im Fokus bleiben: Für abgelehnte Bewerber kommt das Absageschreiben einer Ohrfeige gleich. In der Umfrage wurden emotional aufgeladene Begriffe wie „Schlussmachen“ und „durchgefallene Prüfung“ zur Beschreibung der damit verbundenen Gefühle gewählt. Dass Absageschreiben höflich und distanziert formuliert werden, ist somit zwar aus Personalersicht nachvollziehbar, für abgelehnte Bewerber hingegen fast zynisch.
Die Umfrage zeigt aber auch: Was man risikolos richtig machen kann, wird bereits weitgehend richtig gemacht. Wertschätzung, ein höflicher Tonfall, gute Wünsche für die Zukunft, das Angebot der Aufnahme in einen Talent Pool – all das setzen Unternehmen bereits um. Woran es hapert: z. B. an der zeitnahen Rückmeldung nach der Bewerbung. Viele Bewerber erhalten erst gar keine Absage, oder erst nach Monaten. Prozessseitig ist in deutschen Personalabteilungen also durchaus noch Optimierungspotenzial.
Die Verbesserung der Candidate Experience beim Thema Absage beginnt in jedem Fall mit der Einsicht der Recruiter, dass das, was auf Unternehmensseite ein „Verwaltungsvorgang“ ist, auf Kandidatenseite die ganze emotionale Wucht eines negativen „Erlebnisses“ entfalten kann.
> Kandidaten, die eine Absage erhalten, wirken als Multiplikatoren für die Qualitäten im Umgang eines Unternehmens mit seinen Bewerbern. Ziel sollte es also sein, durch die Absage keinen Schaden für das Unternehmen zu provozieren – eine Gefahr, die bei intensiv rekrutierenden Unternehmen regelmäßig auftritt.
Und deswegen wird es nicht funktionieren. Die Höflichkeit Bewerbern gegenüber wird auch hier wieder über Hintergedanken motiviert und nicht durch die Einsicht, Bewerber einfach aus Anstand und Fairness gut zu behandeln. Sobald dies für Bewerber ersichtlich wird, untergräbt es die ganze Erfahrung der (Fake-)Höflichkeiten.
> „Das AGG zwingt uns dazu, nichtssagende Floskeln zu verwenden.“
> „Als Unternehmen bewegen wir uns permanent im Spannungsfeld zwischen möglichst individueller Absage und gleichzeitigem Bieten einer Angriffsfläche für AGG-Klagen. Aus diesem Grund werden Absageschreiben unpersönlich geschrieben.“
Man entschließt sich also, intransparent zu agieren, um potentielle Verstöße gegen das AGG zu vertuschen. Der Sinn des AGG ist es, Gleichbehandlung bezüglich einiger Kriterien herzustellen und dort Benachteiligung zu verhindern. Der Sinn ist es nicht, dass Personalabteilungen die Sachverhalte zu ihren Gunsten oder für die Unternehmensziele verdrehen oder verbergen.
> Als Notlösung nutzen manche Personaler die Möglichkeit der telefonischen Rückmeldung – so bleibt man rechtlich auf der sicheren Seite und kann gleichzeitig besser auf die Kandidaten eingehen. Dass das in Unternehmen mit einem hohen Recruiting-Volumen nicht bei jedem Kandidaten geschehen kann, versteht sich von selbst.
Wieso? Sofern man eine qualifizierte Entscheidung zur Absage getroffen hat – was in Absageschreiben oft beteuert wird – hat das bereits Zeit in Anspruch genommen und für die Entscheidung wurde wenigstens ein Grund ermittelt. Dazu haben auch andere Teile des Bewerbungsprozesses Aufwand verursacht, insbesondere wenn es noch persönliche Interviews gab. Ob es nun im Schreiben oder am Telefon ist, müsste man den Grund nur zusammen mit der Absageentscheidung rezitieren. Da sollten maximal 5 Minuten ausreichen und dies nur ein Bruchteil des Bewerbungsprozesses für diesen Kandidaten sein.